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26.9.2025 - 11:11

Stilvermengungen

Vernissage in der Städtischen Galerie in Pappenheim: Skulpturen, Holzschnitte, Objekte, Bilder, Radierungen

Am zweiten Sonntagvormittag im Juli herrschte großer Andrang in der Städtischen Galerie in Pappenheim bei der Eröffnung der Ausstellung „Zeitebenen vermengen sich“, bis auf die Klosterstraße staute sich das Publikum. Das war einerseits sicherlich den beiden Künstlern Fabiola Diehl und Rudolf Schleußinger geschuldet, die in der Stadt und in der Region als Kunstschaffende bestens bekannt sind – andererseits wohl auch, weil sich der befreundete Kulturverein aus Margetshöchheim bei Würzburg zur Vernissage einfand. Und wer zumindest noch einen Stehplatz fand, wurde durch die Ausführungen der beiden Laudatoren informiert, dass hier ein weiterer Künstler ausstellt, der allerdings schon vor 50 Jahren gestorben ist – Franz Maria Diehl, der Großvater von Fabiola Diehl. Von daher wird dann auch der Titel deutlicher – die Kunst aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird mit Kunst aus der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts nebeneinander in drei Räumen gezeigt und in der Ausstellung also „vermengt“. Und das macht auch den Besuch der Städtischen Galerie in Pappenheim so lohnenswert: Neben den expressiven und klaren Holzschnitten, Zeichnungen und kleinformatigen Bildern Franz Diehls, den feinen Arbeiten Fabiola Diehls stehen Skulpturen Rudolf Schleußingers, kräftig und ausdrucksstark, aber eben dreidimensional, dazu seine Radierungen, die ebenfalls das grafische Element betonen.
In das künstlerische Werk Rudolf Schleußingers führte Renate Bärnthol, selbst Künstlerin, ein, die betonte, welche zentrale Bedeutung das handwerkliche Können bei der Herstellung von Radierungen und Bronzeskulpturen hat. Rudolf Schleußinger, 1949 in Weißenburg geboren, Autodidakt, kam durch Zufall zur Technik der Radierung. Die dabei entstehenden starken Kontraste beschäftigen ihn, Graustufungen sind dabei nur eingeschränkt möglich, mit weiteren Farben wird es immer komplizierter und Korrekturmöglichkeiten sind äußerst begrenzt, die gesetzten Striche müssen stimmen. Eine Radierung zeigt beim Arbeiten dem Künstler immer nur ein indirektes Bild, erst der erste Andruck offenbart das eigentliche Werk. Diese nicht völlige Beherrschbarkeit übt einen besonderen Reiz aus, es bleibt Raum für Phantasie und Geheimnis – so Renate Bärnthol. Parallel zur Arbeit mit Metall und Säure widmet sich Rudolf Schleußinger zusätzlich dem Bronzeguss, der bei ihm menschliche Gestalten bzw. die Beziehung der Figuren zueinander verinnerlicht. Die Beständigkeit dieses edlen Metalls ist für ihn von großer Bedeutung, die Dauerhaftigkeit des Materials ist ein wesentlicher Teil des Ausdrucks. Nicht allein die Schaffung der Tonform ist ein künstlerischer Prozess, sondern nach dem Guss beginnen die Feinarbeiten mit Nachschleifen, Polieren, Trennen und Patinieren, bis das gewünschte Objekt entsteht.
Uwe Graf hat es übernommen, den hier in Pappenheim bisher wohl eher unbekannten Künstler Franz Diehl, geboren 1895, vorzustellen und in sein Oeuvre einzuführen. Er soll als Jugendlicher am Bucheinband zu Wassiliy Kandinskis 1912 erschienen Buch „Klänge“ mitgewirkt haben, wie die Familiensaga weiß. Als Künstler ist Franz Diehl Autodidakt, dennoch wird er später Mitglied der „Neuen Künstler Vereinigung München“. Neben Landschaften und Ortsbildern ist Schwerpunkt seiner vielen Holzschnitte und Grafiken die Frage nach Leben und Tod. Dass er in der Mitte des 20. Jahrhunderts durchaus als anerkannter Künstler gelten kann, zeigen die Ankäufe mehrerer Blätter durch das renommierte Lenbachhaus in München.
Fabiola Diehl „vermengt“ nun beide Kunstrichtungen: Sie arbeitet gerne „teilplastisch“ und schafft so neue Erlebniswelten mit ihren runden, gleichzeitig gebrochenen Grundformen als Sinnbild für das dennoch Unvollkommene, der Dualität und Widersprüchlichkeit. Neben ihren reliefartigen Rundformen bringt sie in die Ausstellung kleine Skulpturen hinter Glas ein, dazu eine Installation als Anspielung an die Vergänglichkeit. 1963 in München geboren, lernt sie zuerst die Buchbinderei und bringt es dort zur Meisterschaft. Gleichzeitig widmet sie sich dem künstlerischen Gestalten, geprägt von – natürlich – Papier, dann Acryl und Gips. Mit dem Umzug nach Pappenheim ist ihr Leben in Bewegung gekommen, es beginnt eine neue Schaffensperiode, sie hat sich emanzipiert und verändert auch ihre Arbeiten. „Fabiola Diehl nimmt Ausschnitte der realen Natur auf, verbindet Fundstücke des Weges, von Dachböden und Kellern mit ihren bevorzugten Materialien Papier und Gold. Alles was ihr begegnet, fließt in ihre Objekte ein“, so Uwe Graf als ihr Laudator bei der Vernissage.
Untermalt mit passender Musik wurde die Vernissage von Loes Snijder – sie ist nicht nur eine begnadete Sängerin, sondern ist über Umwege auch mit Familie Diehl verwandt. Ihr Lied „10 Frauen will ich sein“ hat sie speziell Fabiola Diehl gewidmet. Die vielen Kunstinteressierten dankten ihr dies mit begeistertem Beifall. Die Ausstellung mit den vielfältigen Kunstangeboten motivierte die Anwesenden zu intensiven Gesprächen. Der Kunst- und Kulturverein Pappenheim freute sich, dass zu Eröffnung nicht nur der Pappenheimer Bürgermeister Florian Gallus Grußworte sprach, sondern dass auch Bürgermeister Waldemar Brohm aus dem unterfränkischen Margetshöchheim die Bedeutung von Kunst und Kultur für die Gemeindearbeit betonte. Er beneidet die Pappenheimer um ihre Städtischen Galerie, um das Haus der Bürger K14 und wegen der dort erfolgreichen engagierten Vereinsarbeit.
Ausstellung „Zeitebenen vermengen sich“ in der Städtischen Galerie in Pappenheim, geöffnet sonn- und feiertags von 14 bis 17 Uhr bis einschließlich 7. September 2025, der Eintritt ist frei.

 

Albrecht Bedal

Mittwoch, 23. Juli 2025 08:31 Uhr | Alter: 65 Tage | Dieser Artikel wurde 1035 mal gelesen


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