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Die gute alte Zeit – Erinnerungen eines 93jährigen Geislohers
Am 17. Dezember 1990 führte der Verfasser ein Interview mit dem damals ältesten Einwohner von Geislohe, Herrn Karl Heinrich Gruber (geb. 28.4.1897, gest. 24.7.1992). Er wuchs im elterlichen Anwesen Nr. 23 (heute 63) auf und kaufte später Nr. 15 (heute 20).
Zum Anwesen seines Vaters gehörten nur 10 Tagwerk. Deshalb betrieb er später nebenher noch das Schuhmacherhandwerk. Es mussten ja schließlich sechs weitere Geschwister satt werden. Ein Bruder war Kanzleischreiber auf der Gemeinde und Flurer, wovon der Hausname Fluren stammt. Die elterliche Landwirtschaft bekam sein Bruder Fritz, der Maurer war. Allgemein war es üblich, dass der älteste Sohn das Anwesen erhielt und die anderen auszahlen musste. Seine Schwestern verdienten ihren Lebensunterhalt als Dienstmägde. Sie hatten jedoch das Wohnrecht auf Lebenszeit bzw. bis zur Heirat.
Das Erwerbsleben
Der größte Bauer hatte knapp 60 Tagwerk. In der Regel besaßen die Klein- und Mittelbauern 20 bis 30 Tagewerk. Anagebaut wurden Winterroggen, Winterweizen und Sommergerste (zum Bierbrauen). Die Kartoffeln. aß man zum Teil selbst, der Rest diente als Schweinefutter. Doch bekamen die Schweine auch Kleie. Auf kleinen Flächen baute man Futterrüben an, mit denen neben Maurer den Schweinen auch Milchkühe gefüttert wurden. Ansonsten dienten im Sommer Klee und im Winter Heu und Stroh als Viehfutter. Dazu musste das Stroh früher in Handarbeit mit dem Halm-stuhl geschnitten werden. Getreide wurde an das Vieh nicht verfüttert. Denn das Verfüttern von Brotgetreide - alle ließen es auf der Flemmmühle mahlen - war verboten.
Als Milchvieh hatte man gelbes Franken Vieh; außerdem hielt man Säue, die man zum Teil auch verkaufte. Nur drei Bauern hatten Pferde. Einer davon , der eine kleine Brauerei besaß (alte Nr. 7, heute 9), fuhr mit den Pferden Bier aus. Meist spannte man jedoch Ochsen ein, die Kleinbauern hingegen Kühe. Schon zu Grubers Kinderzeit wurde auf dem führen Brachfeld Futter angebaut und das Vieh ganzjährig im Stall gehalten. Auf die Felder fuhren alle Bauern nach vorn, also über den Anger hinaus. Das änderte sich erst mit dem Aufkommen der Traktoren. Dann fuhr man auch durch ein Tor im Etterzaun hinten hinaus auf das Feld.
Um die bäuerlichen Arbeiten bewältigen zu können, stand man im Sommer schon um halb fünf auf, im Winter um halb sieben. Um neun oder halb zehn abends ging man ins Bett.
Als Essen gab es meistens eine Suppe, ansonsten viel Mehlspeisen, z. B. Pfann-kuchen. Zum Brot aß man Butter, die die Bauern selbst machten. Fleisch kam selten auf den Tisch, und wenn, dann nur ganz wenig. Bier wurde im Krug beim Wirt geholt - höchstens ein Liter, und auch nur sonntags; während der Woche gab es kein Bier.
Die großen Bauern hatten Knechte und Mägde. Der Großknecht und die Großmagd verdienten in den 20er und 30er Jahren 180 bis 200 Reichsmark, die einfachen Knechte um 150 Mark jährlich. Auch sonntags erhielten sie etwas Geld und zu Weihnachten Bettüberzüge oder Schürzen. Essen und Trinken waren umsonst. Wenn sie heiraten wollten, mussten sie einen anderen Beruf ergreifen, weil sonst das Geld nicht gelangt hätte. In den Zimmern der Knechte war es oft so kalt, dass Eiszapfen drin hingen. Die Rossknechte schliefen oft im Rossstall, weil es dort wärmer war als im Zimmer.
Besonders beschwerlich waren Wagenfahrten vom Schambachtal herauf. Hierzu mussten auf der alten Straße vier statt der üblichen zwei Ochsen eingespannt werden. Eine wesentliche Verbesserung brachte hier 1936/38 der Bau der neuen Straße durch den Reichsarbeitsdienst.
Neben Bauern gab es auch Maurer, Schuster, Wagner und den Schmied, die aber alle noch Landwirtschaft betrieben. Früher lebte hier auch noch ein Taglöhner.
Das Dorfleben
Karl Gruber ging in Geislohe zur Schule. Der Lehrer unterrichtete etwa 30 Kinder in sieben Klassen. Mitunter gab es auch Ohrfeigen oder ein paar hinten drauf. Der Lehrer wurde von den Gemeindemitgliedern verköstigt und aß jeden Tag woanders.
Sonntags ging man zur Kirche nach Pappenheim - immer zu Fuß, auch bei schlechtem Wetter. Obwohl e zu seiner Konfirmation sehr schlammig war, wurde nicht gefahren. Auch die Tochter des größten Bauen der Pferde hatte, ging zu Fuß. Gefahren wurde höchstens ins Krankenhaus. Beim Kirchgang wechselten sie der Altbauer und seine Frau mit den jungen Leuten ab, so dass man nur alle 14 Tage in die Kirche kam.
Ebenso wie die Kindstaufen fanden auch die Trauungen in Pappenheim statt. Auch da ging die ganze Hochzeitsgesellschaft zu Fuß. Die Bräute waren in schwarzer Tracht gekleidet, wozu auch Bänderhauben gehörten. Das war auch bei Grubers Hochzeit 1925 noch so. Damals gab es auch noch einen Brautführer und eine Spielführer, die einen Strauß auf einem Stock hatten. Grubers Frau hatte auch noch einen Bräutelwagen.
Für Hochzeiten wurde vom Wirt geschlachtet und alles übrige von ihm bereitgestellt. Auch für die Tanzmusik sorgte er. Die Gäste, die von einem Hochzeitslader eingeladen wurden, mußten für das Essen (Rindfleisch und Schweinebraten) fünf Mark bezahlen. Was einer nicht gegessen hat, wurde eingewickelt und mit heim-genommen.
Ansonsten gab es nicht viel Abwechslung. Das Dorf wurde kaum verlassen. Selten ging man nach Pappenheim oder Treuchtlingen, noch seltener nach Weißenburg. In Pappenheim und Treuchtlingen besuchte man die Märkte, vor allem auch den Treuchtlinger Viehmarkt, der zum Teil von Juden betrieben wurde. Auch Fremde kamen selten ins Dorf. Treuchtlinger oder Wettelsheimer Juden kauften hier Vieh; Hausierer boten Stoffe und Schnittwaren wie Schuhbändel, Zwirn oder Kramerswaren feil.
Besonders wichtig war die Wasserversorgung. In Zeiten großer Trockenheit fuhr man zum Wasserholen an den Mühlbach bei der Flemmühle. Der Gemeindebrunnen lieferte das Wasser für den menschlichen Gebrauch, und zwar ein bis zwei Eimer pro Haushalt. Sonst wurde er zugesperrt. Daneben hatte jedes Anwesen einen Hausbrunnen mit einer Pumpe. Auf der Höhe, d. h. im höher gelegenen (südlichen) Ortsteil gab es am meisten Grundwasser. Das Regenwasser wurde als Spatzenwasser in Zisternen aufgefangen.
Einen großen Fortschritt brachte der Bau der Wasserleitung im Jahr 1911. Zu ihrer Finanzierung wurden im "Louch" (umgangssprachlicher Name des Flurgebietes abgeleitet von "Lohleite") oberhalb der Flemmühle Eichen gefällt und für 40 000 Mark verkauft. Zum Verlegen der Rohre mussten täglich zwei Meter Graben von 1,60 Meter Tiefe in den steinigen Untergrund gehauen werden - bei einem Stundenlohn von 25 Pfennigen.
An ernsten Krankheiten gab es höchstens einmal Lungenentzündung. Dann kam der Doktor mit der Kutsche aus Pappenheim. Unter Erkältungskrankheiten litt man nicht.
Wenn jemand starb, wurde der Verstorbene in einem Trauerwagen zum Friedhof nach Pappenheim gebracht. Dort war dann in einer Wirtschaft auch der Leichenschmaus mit Kaffee und ein paar Weckle.
Feste
Zum Weihnachtsfest stellte man einen Christbaum auf. Statt mit Glaskugeln schmückte man ihn mit Papierrosen oder Schockersgauli aus Holz. Die Eltern schenkten den Kindern eine Hose oder einen Pullover. Während am Heiligen Abend nichts Besonderes auf den Tisch kam, aß man am Weihnachtstag eine Suppe mit Pfannkuchen und Rindfleisch. Zu Ostern hingegen gab es kein besonderes Mittagessen, jedoch gefärbte Ostereier.
Die Kirchweih war im September. Weil zu dieser Zeit schon geschlachtet war, aß man außer einer Pfannkuchensuppe auch Schweinebraten. Am Abend zog die Musik durchs Dorf, die Burschen gingen hinterher und holten die Mädchen ab. In der Gastwirtschaft wurde dann zum Kirchweihtanz aufgespielt.
Soweit die Erinnerungen eines gebbürtigen Geislohers, der noch im 19. Jahrhundert das Licht der Welt er- blickte. Wenn wir uns heute auch nicht zu jener Zeit zu- rücksehnen, müssen wir doch anerkennen, dass man früher die alltäglichen Beschwernisse als Teil des Lebens und nicht als unzumutbare Last betrachtete. So konnte Karl Gruber voll innerer Zufriedenheit auf die „gute" alte Zeit zurückblicken.